Mitnichten. Diese Deckel sind ein Stück Kieler Industriegeschichte. Produziert wurden sie in der traditionsreichen Gießerei Vollert & Merkel. Früher waren sie im gesamten Stadtgebiet zu finden, heute sind nur noch einzelne vorhanden. Aber sie halten und halten und ...
Zwei Produkte aus der Gießerei "Vollert & Merkel". Links: An der Kieler Kunsthalle. Rechts: In Dietrichsdorf, Nähe Hertzstraße.
Die Gießerei Vollert & Merkel wurde schon vor dem Ersten Weltkrieg gegründet. Dort wurden Metallteile aller Art produziert. Bis 1904 wurden hier sogar Aufzüge hergestellt. Der gute Ruf der Firma reichte bis ins Ausland. Als 1943 die Gießerei der Krupp Germaniawerft im Karlstal durch Bomben völlig zerstört wurde, produzierte man auch eine zeitlang für den Schiffbau. Als das Material knapp wurde, wurde auch Altmetall eines benachbarten Schrottplatzes eingeschmolzen und weiterverarbeitet.
Das "Dietrichsdorfer Modell". Links ein fabrikneuer Deckel, der jahrelang im Vorgarten von Herrn Vollert lag. Rechts: So sieht ein Deckel nach jahrzehntelangem Einsatz aus. Völlig abgeschliffen, aber immer noch stabil. In der Bielenbergstraße.
Nach Ende des Krieges wurden dann vielfach diese Gullydeckel produziert, ein damals sehr bekanntes Produkt war das "Dietrichsdorfer Modell", das zuerst im gleichnamigen Stadtteil verbaut wurde. Wegen des Alters der Firmengründer wurde der Betrieb schliesslich irgendwann in den 1970ern an die Stadt Kiel verkauft. Der Standort der Gießerei war in der Preetzer Straße, gegenüber der "Räucherei". Heute befinden sich dort eine Turnhalle und ein Parkplatz. Ursprünglich war hier die Errichtung eines Supermarktes geplant, dieses Vorhaben wurde von der Stadt Kiel aber irgendwie sabotiert.
Der Kauf des Geländes sollte für die Stadt noch ein teurer Spaß werden. Als Kaufpreis wurde eine Leibrente für den Eigentümer Herrn Vollert vereinbart. Als dieser mir im Jahr 2003 seine Lebensgeschichte erzählt hat, hatte er gerade seinen 95. Geburtstag gefeiert. Herr Vollert verstarb vor einigen Jahren in seinem Haus in der Preetzer Straße, genau gegenüber vom alten Fabrikgelände.
Er konnte dort nicht immer in Ruhe leben. Auch er wurde von den Wirren des Zweiten Weltkieges erfasst. Wegen seiner profunden Kenntnisse als Ingenieur und Unternehmer wurde er in das Reichsluftfahrtministerium nach Berlin berufen. Dort wurde er für die Weiterentwicklung der deutschen Luftwaffe eingesetzt. Und das Schicksal sollte ihn noch weiter von zuhause wegtreiben. Seine nächste Station war Riga. In der Stadt im Baltikum war er für den Aufbau und die Leitung einer geheimen Flugzeugfabrik zuständig. Geschmeckt haben ihm diese unfreiwilligen Einsätze nicht. Er wäre lieber zuhause geblieben und hätte sich um seine Fabrik gekümmert.
Zu Zeiten der Inflation - statt einer Schubkarre voll Geld.